ANDACHT

Du sollst der Menge nicht auf dem Weg zum Bösen folgen. (Luthers Übersetzung)
Monatsspruch Juli

Kirche soll und will den Christenmenschen eine Hilfe sein im täglichen Leben. Da jetzt Wahlen anstehen, ist dieses Thema dran für uns alle. Und weil der Monatsspruch für Juli eine gute Vorlage bietet, will ich mich dem Thema nicht entziehen. Einige meinen, Kirche solle sich aus der Politik heraushalten. Ich meine, man kann das Evangelium Jesu Christi nicht völlig unpolitisch auslegen, so als ginge es Jesus nur um unser Seelenheil und die Seele hätte nichts mit der äußeren Welt zu tun. Dass wir die Menschenrechte in unserer Verfassung stehen haben und all diese Freiheiten genießen, hat übrigens auch christliche Wurzeln, ohne dass die Kirche(n) zu jeder Zeit sich in dieser Richtung Verdienste erworben hätten.
Wer die Demokratie biblisch begründen wollte, hätte es aber schwer. Dass alle Gewalt vom Volke ausgehen solle, hat Gott nie verkünden lassen. Spätestens seit das Volk Israel ein sichtbares Gottesbild forderte und Aaron das goldene Kalb hergestellt hatte, war klar geworden, dass eine Mehrheit im Volke keine Garantie für Richtigkeit ist, nach Gottes Maßstab. Allen Argumenten für die Schwarmintelligenz zum Trotz lässt sich die Bibel nicht als Argumentationshilfe für Mehrheitsentscheidungen gebrauchen. Von Los-Entscheidungen wird zwar mehrfach erzählt, aber nie bei der Wahl von Regierungen. Zudem hat das Volk Israel mehrheitlich gegen Gottes Einspruch, er sei doch ihr König, auf der Forderung bestanden, einen König zu bekommen, wie alle andern („die Heiden“) auch. So hat Gott Samuel damit beauftragt, bei der Wahl der Person aber durchaus geholfen. Die Bibel lässt sich damit auch nicht für eine Diktatur instrumentalisieren, denn Gott hatte ausdrücklich gewarnt vor den Ansprüchen eines Monarchen (nachzulesen in 1. Sam 8).
Aber in der Bibel lesen wir auch, dass nicht einmal Gott immer auf Anhieb die richtige Politik im Sinn hat, lässt er sich doch – gerade nach dem goldenen Kalb – glücklicherweise von Mose überreden, seinem Zorn nicht nachzugeben und das Volk nicht zu vernichten (2. Mose 32).
All dies ist aber kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen und Wahlen generell als sinnlos abzutun, weil ja doch kein Kandidat immer richtig handeln und keine Kandidatin immer richtig entscheiden werde. Noch vor der Geschichte am Sinai, da Mose die 10 Gebote von Gott empfängt, lesen wir: Du sollst kein leeres Gerücht verbreiten. Biete deine Hand nicht dem, der Unrecht hat, indem du als falscher Zeuge auftrittst! Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist, und sollst in einem Rechtsstreit nicht so aussagen, dass du dich der Mehrheit fügst und das Recht beugst. (Ex 23:1-2 Einheitsübersetzung)
Hier ist nicht die große Politik im Blick, sondern die kleine, nämlich der Rechtsstreit, wo die Regeln der Regierenden – hier also Gottes - angewendet werden. Und diese Gebote können uns gerade auch bei unseren demokratischen Wahlen von Nutzen sein: Keine falschen Gerüchte verbreiten, nichts Falsches bezeugen, keiner Mehrheit beitreten, wenn sie im Unrecht ist!
Dass jemand eine Partei wählt, weil „alle anderen“ das auch tun, gab es nicht nur in der DDR und davor. Auch heute noch ist mir diese Praxis begegnet. Damit Christen nicht für eine falsche Politik stimmen, können wir mit diesem Vers biblisch dagegen argumentieren.
Bliebe nur noch zu klären, woran wir eindeutig die Falschheit der Politik oder eben auch deren Richtigkeit erkennen. Jesus war nun keine Parteienforscher, hat aber doch Wichtiges für diese Frage gesagt. Als er nach dem wichtigsten Gebot gefragt wurde, nannte er die Gottesliebe und die Nächstenliebe und die Selbstliebe – jeweils im gleichen Maß. Wird von einer Partei die Selbstliebe deutlich über die Nächstenliebe gestellt, so ist das in Jesu Augen falsch.
Sollte tatsächlich eine Partei die Mehrheit gewinnen, die solche falschen Ansichten vertritt, dann ist es unsere Aufgabe, sich ihnen nicht anzuschließen. Eine Mehrheit anzuerkennen, bedeutet ja nicht, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen. Vor einigen Jahren war eine Formel dafür „Kirche im Sozialismus“, und eben nicht „Kirche für den Sozialismus“, wie es die Partei gern gehört hätte. Unter den Nazis gab es die „Bekennende Kirche“, die sich gerade nicht den „Deutschen Christen“ angeschlossen hatte. Und bei den ersten Christen sagte man dafür: „wir sind in der Welt, nicht von der Welt“.
Unsere Bezugsgröße ist eine andere, als was in der jeweiligen Welt üblich und angenehm ist. Wir Christen sind herausgerufen, durch Reden oder Handeln Gottes Wort in der Welt zu vertreten, gerade wenn es stört und Mehrheiten etwas anderes wollen. Das kann schwierig oder gar gefährlich sein. In einer Demokratie keine falsche Partei zu wählen, ist dabei eine leichte Übung. (Dass ich dabei keinerlei Aussage über die richtige Partei mache, versteht sich von selbst – diese Zeiten sind vorbei; gebe Gott, dass es so bleibt.)

Ihr Pfarrer Gabriel Beyer